Montag, 2. Oktober 2017

Der Investmentbanker

Der Investmentbanker

von Manfred Pfirrmann

Das hätte ich nicht ernsthaft vermutet – und mein Klassenlehrer wahrscheinlich auch nicht – dass ich beim Abitur noch durchgekommen bin. Nun stehen mir aber alle Hochschulen offen.
Bei den Studienfächern hätte ich ja am liebsten Medizin gewählt. Gerne wäre ich auch ein „Gott in Weiß“ geworden aber weil ich im Grunde meines Wesens ein humaner Mensch bin, will ich das meiner Umwelt nun doch nicht antun. Außerdem kenne ich meinen inneren Schweinehund was lernen anbelangt. Was bleibt? Wohl nur Zweierlei: entweder BWL oder eine Banklehre.
Meine Bewerbung bei der Volksbank verlief leider so ergebnislos wie bei der Sparkasse aber die Hedge-Bank hat mich tatsächlich als Praktikant eingestellt. Das hat der Herr Direktor sogar höchstpersönlich entschieden und sogar ohne vorher beim Top-Management in Zypern nachzufragen.
Sofort habe ich mir dann erst mal zwei neue Krawatten gekauft, denn in Banken muss auch der Lehrling unbedingt Anzug und Krawatte tragen. Das ist notwendig, damit die Kunden mehr Vertrauen haben, wenn sie ihr Geld der Bank anvertrauen.  So konnte ich denn nun auch meinen dunklen Konfirmationsanzug endlich etwas auftragen.
Als erstes wurde mir die Verwaltung der Portokasse übertragen. Aber schon nach einem knappen halben Jahr in der Hedge-Bank bekam ich eine neue Aufgabe: Nämlich die Erfassung aller Immobilien-Zwangsversteigerungen im Umkreis. Dazu musste ich immer bei verschiedenen Inkassounternehmen anfragen, die mit unserer Bank eine Vereinbarung dafür hatten. Zunächst wusste ich nicht, was das denn soll, die H-Bank konnte doch kein Interesse daran haben, mit Leuten ins Geschäft zu kommen, die ihre Raten nicht mehr zahlen konnten. Aber nach einer Weile habe ich es dann gemerkt. Das Geschäftsmodell meiner Bank war, diese Immoblien billig einzukaufen, dann sofort die Bewohner rauszuwerfen, dann Luxussanierung mit Firmen aus dem Osten durchzuführen und dann die Immoblie wieder mit gutem Gewinn an die Besserverdienenden zu verkaufen. Tolles Modell – wenn auch sozial ein wenig anrüchig. Aber wenn man bei einer Bank arbeitet und voran kommen will, sollte man das Wort „sozial“ in seinem Vokabular sowieso streichen.
Bald wurde ich auch mit anderen Geschäften meiner Bank vertraut gemacht.
Da gab es die schönen Warentermingeschäfte. Erst holt sich die Bank billiges Geld von der Zentralbank. Damit kauft man (möglichst im Verbund mit anderen Banken oder Investoren) soviel von einer Ware auf, wie auf dem Markt ist. Bevorzugt also Güter die gerade knapp sind, wegen schlechter Ernte zum Beispiel. Damit wird die Ware knapp und teuer. Wenn sie dann teuer ist, verkauft man sie wieder. Das ist ganz einfach und nur eine Frage des Kapitals. Allerdings können sich arme Leute die Ware dann wohl nicht mehr leisten und müssen womöglich hungern. Aber wie das mit dem Wort „sozial“, habe ich ja schon vorher erläutert.

Besonders toll fand ich auch den Optionshandel. Zunächst wusste ich natürlich gar nicht, was das ist. Eigentlich ist das der Handel mit Luft – also Optionen. Gell, das glauben Sie nicht, dass man mit Luft handeln kann und doch ist es so. Denn unsere Bank ist auch Broker an den Börsen. Dazu braucht sie überhaupt kein eigenes Geld. Sie muss nur ihren Kunden davon überzeugen, dass die Aktie der Fa. Xy so aussieht, als ob sie steigen würde und er (der Kunde) so tut, als ob er daran glaubt. Darauf kann der Kunde – wenn er denn ein Konto mit Geld bei uns hat – eine zeitlich begrenzte Option abgeben, die ihm soundsoviel Geld wert ist. Also eigentlich eine Wette abschließen. Wenn die Wette eintrifft, bekommt er sein Geld zurück und noch einen  Prozentsatz dazu (das zahlt tatsächlich die Bank) und für den (häufigeren) Fall dass die Prognose nicht eintrifft, kassiert die Bank den Einsatz. Das ist wie beim Roulett und geht noch deutlich schneller. Dabei ist nicht eine einzige Aktie gekauft oder verkauft worden.
Das hätte mir die Bank aber eigentlich nicht zeigen sollen, wie das geht. Denn in diesem System ist etwas vergessen worden, was dem schlauen Erfinder des Rouletts nicht passiert ist. Denn im Roulett gibt es Maximaleinsätze und die Zahl Null. Das verhindert, dass einer mit dem Geldkoffer kommt, und immer seinen Einsatz bei Verlust verdoppelt, bis er schließlich gewinnt. Man nennt das „progressieren“.
Man kann auch beim Optionshandel progressieren – aber dort gibt es nach oben kein Limit und auch nicht die Zero.  Es ist also nur eine Frage des Kapitals, dann gewinnt man mit Optionen immer.
Jetzt muss ich mir mal ausrechnen, wie viel Kapital ich dafür brauche. Dann nehme ich mir einen Kredit – als Bankangestellter bekomme ich den sicher gerne – und dann widme ich mich neben dem Optionshandel nur noch meinem Hobby: dem Müßiggang.
Vielleicht mache ich auch mal eine Bank auf.



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