Der Investmentbanker
von Manfred Pfirrmann
Das hätte ich nicht ernsthaft vermutet – und mein
Klassenlehrer wahrscheinlich auch nicht – dass ich beim Abitur noch durchgekommen
bin. Nun stehen mir aber alle Hochschulen offen.
Bei den Studienfächern hätte ich
ja am liebsten Medizin gewählt. Gerne wäre ich auch ein „Gott in Weiß“ geworden
aber weil ich im Grunde meines Wesens ein humaner Mensch bin, will ich das
meiner Umwelt nun doch nicht antun. Außerdem kenne ich meinen inneren
Schweinehund was lernen anbelangt. Was bleibt? Wohl nur Zweierlei: entweder BWL
oder eine Banklehre.
Meine Bewerbung bei der Volksbank
verlief leider so ergebnislos wie bei der Sparkasse aber die Hedge-Bank hat
mich tatsächlich als Praktikant eingestellt. Das hat der Herr Direktor sogar
höchstpersönlich entschieden und sogar ohne vorher beim Top-Management in Zypern
nachzufragen.
Sofort habe ich mir dann erst mal
zwei neue Krawatten gekauft, denn in Banken muss auch der Lehrling unbedingt
Anzug und Krawatte tragen. Das ist notwendig, damit die Kunden mehr Vertrauen
haben, wenn sie ihr Geld der Bank anvertrauen.
So konnte ich denn nun auch meinen dunklen Konfirmationsanzug endlich
etwas auftragen.
Als erstes wurde mir die
Verwaltung der Portokasse übertragen. Aber schon nach einem knappen halben Jahr
in der Hedge-Bank bekam ich eine neue Aufgabe: Nämlich die Erfassung aller
Immobilien-Zwangsversteigerungen im Umkreis. Dazu musste ich immer bei
verschiedenen Inkassounternehmen anfragen, die mit unserer Bank eine
Vereinbarung dafür hatten. Zunächst wusste ich nicht, was das denn soll, die
H-Bank konnte doch kein Interesse daran haben, mit Leuten ins Geschäft zu kommen,
die ihre Raten nicht mehr zahlen konnten. Aber nach einer Weile habe ich es
dann gemerkt. Das Geschäftsmodell meiner Bank war, diese Immoblien billig
einzukaufen, dann sofort die Bewohner rauszuwerfen, dann Luxussanierung mit
Firmen aus dem Osten durchzuführen und dann die Immoblie wieder mit gutem
Gewinn an die Besserverdienenden zu verkaufen. Tolles Modell – wenn auch sozial
ein wenig anrüchig. Aber wenn man bei einer Bank arbeitet und voran kommen
will, sollte man das Wort „sozial“ in seinem Vokabular sowieso streichen.
Bald wurde ich auch mit anderen
Geschäften meiner Bank vertraut gemacht.
Da gab es die schönen
Warentermingeschäfte. Erst holt sich die Bank billiges Geld von der
Zentralbank. Damit kauft man (möglichst im Verbund mit anderen Banken oder
Investoren) soviel von einer Ware auf, wie auf dem Markt ist. Bevorzugt also
Güter die gerade knapp sind, wegen schlechter Ernte zum Beispiel. Damit wird
die Ware knapp und teuer. Wenn sie dann teuer ist, verkauft man sie wieder. Das
ist ganz einfach und nur eine Frage des Kapitals. Allerdings können sich arme
Leute die Ware dann wohl nicht mehr leisten und müssen womöglich hungern. Aber
wie das mit dem Wort „sozial“, habe ich ja schon vorher erläutert.
Besonders toll fand ich auch den
Optionshandel. Zunächst wusste ich natürlich gar nicht, was das ist. Eigentlich
ist das der Handel mit Luft – also Optionen. Gell, das glauben Sie nicht, dass
man mit Luft handeln kann und doch ist es so. Denn unsere Bank ist auch Broker
an den Börsen. Dazu braucht sie überhaupt kein eigenes Geld. Sie muss nur ihren
Kunden davon überzeugen, dass die Aktie der Fa. Xy so aussieht, als ob sie steigen
würde und er (der Kunde) so tut, als ob er daran glaubt. Darauf kann der Kunde
– wenn er denn ein Konto mit Geld bei uns hat – eine zeitlich begrenzte Option
abgeben, die ihm soundsoviel Geld wert ist. Also eigentlich eine Wette
abschließen. Wenn die Wette eintrifft, bekommt er sein Geld zurück und noch
einen Prozentsatz dazu (das zahlt
tatsächlich die Bank) und für den (häufigeren) Fall dass die Prognose nicht eintrifft,
kassiert die Bank den Einsatz. Das ist wie beim Roulett und geht noch deutlich
schneller. Dabei ist nicht eine einzige Aktie gekauft oder verkauft worden.
Das hätte mir die Bank aber
eigentlich nicht zeigen sollen, wie das geht. Denn in diesem System ist etwas
vergessen worden, was dem schlauen Erfinder des Rouletts nicht passiert ist.
Denn im Roulett gibt es Maximaleinsätze und die Zahl Null. Das verhindert, dass
einer mit dem Geldkoffer kommt, und immer seinen Einsatz bei Verlust
verdoppelt, bis er schließlich gewinnt. Man nennt das „progressieren“.
Man kann auch beim Optionshandel
progressieren – aber dort gibt es nach oben kein Limit und auch nicht die Zero. Es ist also nur eine Frage des Kapitals,
dann gewinnt man mit Optionen immer.
Jetzt muss ich mir mal
ausrechnen, wie viel Kapital ich dafür brauche. Dann nehme ich mir einen Kredit
– als Bankangestellter bekomme ich den sicher gerne – und dann widme ich mich
neben dem Optionshandel nur noch meinem Hobby: dem Müßiggang.
Vielleicht mache ich auch mal
eine Bank auf.
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