Sonntag, 8. Oktober 2017

Die Stadtplanung.

Also ich, ich plane gerne für Städte. Schon früher. als ich noch Architek­tur-Student war. hätte ich am  liebsten das ganze Uni-Viertel neu geplant. Altehrwürdig hin, Tradition her; was zählt ist Effizienz und wenn der moderne Student schon keinen Platz im Hörsaal findet, einen Parkplatz soll er wenigstens bekommen. Und das gehört geplant.
Nun habe ich auch endlich die Position bekommen, in welcher ich meine fort­schrittlichen städte-planerischen Ideen voll entfalten kann: ich bin jetzt Ober-Stadtplaner in Dingenskirchen a.d.Knatter.
Wie diese Stadt bisher überhaupt existieren konnte, ist mir ein Rätsel. Ich habe mich deshalb auch sofort in die Arbeit gestürzt. Zunächst einmal muss man den einfließenden Verkehr bremsen. Das war für mich kein Problem. Gleich nach der Ortstafel kommt ein kleines Sträßchen aus dem dort liegenden Villenviertel. Dort wohnen die Leute, die bei uns das Bruttosozialprodukt hoch halten. Schon aus ökonomischen Gründen sollte man so wichtigen Leuten den Weg freimachen. Bisher sah man oft drei, vier der teuersten Wagen vor der Kreuzung stehen und auf eine Lücke im einfließenden Verkehr warten. Das ist vorbei. Jetzt regelt dort eine Ampelanla­ge den Fluss. Alle zwei Minuten schaltet es um.

Natürlich waren da tangierende Maßnahmen auf der Landstraße zu treffen, weil ja nun ein Rückstau nicht ausge­schlossen ist. Deshalb kommt vorher eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 80, 60, 40 km/h, ein Schild „Vorsicht-Rückstau, ein Überholverbot und noch zwei Warntafeln. Es passieren dort zwar immer noch gelegentlich Auffahrunfälle, aber da sind die unvernünftigen Kraftfah­rer nun wirklich selbst schuld. Für diese wegweisende und fortschrittliche Planung bekam ich von unserem Oberbürgermeister sogar eine ausdrückliche Belobigung. Der weiß meine Arbeit eben entsprechend zu würdigen - wohnt er doch schließlich auch in der Villensiedlung.
Überhaupt ist das mit den Ampeln so eine Sache. Zum Beispiel in der Bahnhof­straße. Da ist vorne eine Ampel. dann kommen (man stelle sich vor!) 4 Kreuzun­gen ohne Ampel und dann erst wieder eine an der Badstraße. Ich hatte zwar zunächst gedacht, das funktioniert mit dem Querverkehr über die Bahnhof­straße ganz gut, weil ja durch die bestehenden Anlagen immer wieder eine Lücke im Verkehrsstrom entsteht und dann eingefahren oder überquert werden kann . Aber da habe ich mich von der Firma S. (ich möchte hier keine Namen nennen) während eines intensiven Arbeits-Essens im Grand-Hotel anders überzeugen lassen. Diese Leute haben wirklich recht. Ich werde jetzt beim  OB nachhaltig darauf dringen, dass an jede Kreuzung eine Ampel hinkommt. Wir müssen schließlich unsere Bürger wirksam schützen, nicht wahr?
Da fällt mir die Fußgänger-Ampel in der Wilhelmstraße ein. Nun lässt man  schon - obwohl die Stadt nun wirklich kein Geld hat - in Höhe der Schule eine so teure Anlage installieren und jetzt gehen die Schüler immer bei „Rot“ rüber, weil sie es zu eilig haben, die läppi­schen 240 Sekunden zu warten, bis nach dem Drücken „Grün“ kommt.
Diese Bürgerinitiativen können einem wirklich auf den Nerv gehen. Erst machen sie ein solches Trara, dass alle Grünflächen zugebaut würden und jetzt, nachdem wir der Handelsbank das platzsparende Hochhaus genehmigt haben, schreien sie Zeter und Mordio, dass dafür das alte Fachwerkhaus abgerissen werden muss. Wie man’s macht ist’s falsch. Aber was bringt mehr Geld in die Stadt? Die Handelsbank oder das Fachwerkhaus? Na also.
Ja, die Sachzwänge sind es, die Stadtplanern zu schaffen machen. Da war doch kürzlich so ein Schlaukopf hier und hat gefordert, all’ die Parkuhren abzureißen. Denn der Zweck der Parkuhr, ein Dauerparken der Anlieger zu verhin­dern, würde auch mit der Parkscheibe  erreicht. Und für die Parkuhren müsste immer ein Kasten mit einer bestimmten Mindest­größe auf die Fahrbahn gepinselt werden . Und wenn diese Kästen nicht wären, würden viel mehr Autos auf dieselbe Fläche passen. Mit anderen Worten: Wir würden Parkraum verschenken. Da sieht man mal wieder, dass der Bürger von Stadtplanung keine Ahnung hat. Wer hat denn je behauptet, bei der Errich­tung von Parkuhren ginge es darum, den Kraftfahrern Parkraum zu schaffen? Was in dieser Stadt geschaffen werden muss, sind Einnahmequellen! Womit, bitteschön, sollten denn sonst so wichtige aber unpopuläre Haushaltsposten wie zum Beispiel die Informationsreise des Stadtrates zur Besichtigung der bahnbrechenden Architek­tur des neuen Theaters in unserer Partnerstadt an der französischen Atlantikküste finanziert werden?

Aber das ist natürlich alles stadtpla­nerischer Kleinkram. Wo kämen wir im Planungsamt auch hin, wenn wir uns um den richtigen Zeitablauf an jeder Ampel kümmern würden. Oder ob es genügend öffentliche Toiletten gibt.
Hier werden größere Aufgaben angepackt. Unser OB. der ja nun schon acht Jahre im Amt ist. will jetzt endlich Ernst machen und den neuen fortschrittlichen Rathausneubau in Angriff nehmen. Das soll beileibe kein Denkmal für ihn werden. Nein, unserem Oberbürgermeister geht es einzig und alleine um das soziale Anliegen, für die Verwaltung zeitgemäße Arbeitsplätze zu schaffen. Sodass deren wichtige Aufgaben wirklich effektiv erledigt werden können. Darauf hat der Bürger einen Anspruch!
Ich habe schon das Planfeststellungs-Verfahren in Gang gesetzt und wenn es um solch eine wichtige Sache geht, ist fraglos mit schneller Zustimmung aller beteiligten Behörden und Institutionen zu rechnen; mit Einsprüchen der Nachbarn rechnen wir jedoch nicht. denn das umliegende Gelände gehört zufällig auch der Handelsbank. 

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