Also ich, ich plane gerne für Städte. Schon früher. als
ich noch Architektur-Student war. hätte ich am liebsten das ganze Uni-Viertel neu geplant. Altehrwürdig hin,
Tradition her; was zählt ist Effizienz und wenn der moderne Student schon
keinen Platz im Hörsaal findet, einen Parkplatz soll er wenigstens bekommen.
Und das gehört geplant.
Nun habe ich auch endlich die Position bekommen, in
welcher ich meine fortschrittlichen städte-planerischen Ideen voll entfalten
kann: ich bin jetzt Ober-Stadtplaner in Dingenskirchen a.d.Knatter.
Wie diese Stadt bisher überhaupt existieren konnte, ist
mir ein Rätsel. Ich habe mich deshalb auch sofort in die Arbeit gestürzt. Zunächst
einmal muss man den einfließenden Verkehr bremsen. Das war für mich kein Problem.
Gleich nach der Ortstafel kommt ein kleines Sträßchen aus dem dort liegenden
Villenviertel. Dort wohnen die Leute, die bei uns das Bruttosozialprodukt hoch
halten. Schon aus ökonomischen Gründen sollte man so wichtigen Leuten den Weg
freimachen. Bisher sah man oft drei, vier der teuersten Wagen vor der Kreuzung
stehen und auf eine Lücke im einfließenden Verkehr warten. Das ist vorbei.
Jetzt regelt dort eine Ampelanlage den Fluss. Alle zwei Minuten schaltet es
um.
Natürlich waren da tangierende Maßnahmen auf der
Landstraße zu treffen, weil ja nun ein Rückstau nicht ausgeschlossen ist.
Deshalb kommt vorher eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 80, 60, 40 km/h, ein
Schild „Vorsicht-Rückstau, ein Überholverbot und noch zwei Warntafeln. Es
passieren dort zwar immer noch gelegentlich Auffahrunfälle, aber da sind die
unvernünftigen Kraftfahrer nun wirklich selbst schuld. Für diese wegweisende
und fortschrittliche Planung bekam ich von unserem Oberbürgermeister sogar eine
ausdrückliche Belobigung. Der weiß meine Arbeit eben entsprechend zu würdigen -
wohnt er doch schließlich auch in der Villensiedlung.
Überhaupt ist das mit den Ampeln so eine Sache. Zum
Beispiel in der Bahnhofstraße. Da ist vorne eine Ampel. dann kommen (man
stelle sich vor!) 4 Kreuzungen ohne Ampel und dann erst wieder eine an der
Badstraße. Ich hatte zwar zunächst gedacht, das funktioniert mit dem
Querverkehr über die Bahnhofstraße ganz gut, weil ja durch die bestehenden
Anlagen immer wieder eine Lücke im Verkehrsstrom entsteht und dann eingefahren
oder überquert werden kann . Aber da habe ich mich von der Firma S. (ich möchte
hier keine Namen nennen) während eines intensiven Arbeits-Essens im Grand-Hotel
anders überzeugen lassen. Diese Leute haben wirklich recht. Ich werde jetzt
beim OB nachhaltig darauf dringen, dass
an jede Kreuzung eine Ampel hinkommt. Wir müssen schließlich unsere Bürger
wirksam schützen, nicht wahr?
Da fällt mir die Fußgänger-Ampel in der Wilhelmstraße
ein. Nun lässt man schon - obwohl die Stadt nun wirklich
kein Geld hat - in Höhe der Schule eine so teure Anlage installieren und jetzt
gehen die Schüler immer bei „Rot“ rüber, weil sie es zu eilig haben, die läppischen
240 Sekunden zu warten, bis nach dem Drücken „Grün“ kommt.
Diese Bürgerinitiativen können einem wirklich auf den
Nerv gehen. Erst machen sie ein solches Trara, dass alle Grünflächen zugebaut
würden und jetzt, nachdem wir der Handelsbank das platzsparende Hochhaus
genehmigt haben, schreien sie Zeter und Mordio, dass dafür das alte
Fachwerkhaus abgerissen werden muss. Wie man’s macht ist’s falsch. Aber was
bringt mehr Geld in die Stadt? Die Handelsbank oder das Fachwerkhaus? Na also.
Ja, die Sachzwänge sind es, die Stadtplanern zu schaffen
machen. Da war doch kürzlich so ein Schlaukopf hier und hat gefordert, all’ die
Parkuhren abzureißen. Denn der Zweck der Parkuhr, ein Dauerparken der Anlieger
zu verhindern, würde auch mit der Parkscheibe erreicht. Und für die
Parkuhren müsste immer ein Kasten mit einer bestimmten Mindestgröße auf die
Fahrbahn gepinselt werden . Und wenn diese Kästen nicht wären, würden viel mehr
Autos auf dieselbe Fläche passen. Mit anderen Worten: Wir würden Parkraum
verschenken. Da sieht man mal wieder, dass der Bürger von Stadtplanung keine
Ahnung hat. Wer hat denn je behauptet, bei der Errichtung von Parkuhren ginge
es darum, den Kraftfahrern Parkraum zu schaffen? Was in dieser Stadt geschaffen
werden muss, sind Einnahmequellen! Womit, bitteschön, sollten denn sonst so
wichtige aber unpopuläre Haushaltsposten wie zum Beispiel die Informationsreise
des Stadtrates zur Besichtigung der bahnbrechenden Architektur des neuen
Theaters in unserer Partnerstadt an der französischen Atlantikküste finanziert
werden?
Aber das ist natürlich alles stadtplanerischer
Kleinkram. Wo kämen wir im Planungsamt auch hin, wenn wir uns um den richtigen
Zeitablauf an jeder Ampel kümmern würden. Oder ob es genügend öffentliche
Toiletten gibt.
Hier werden größere Aufgaben angepackt. Unser OB. der ja
nun schon acht Jahre im Amt ist. will jetzt endlich Ernst machen und den neuen
fortschrittlichen Rathausneubau in Angriff nehmen. Das soll beileibe kein
Denkmal für ihn werden. Nein, unserem Oberbürgermeister geht es einzig und
alleine um das soziale Anliegen, für die Verwaltung zeitgemäße Arbeitsplätze zu
schaffen. Sodass deren wichtige Aufgaben wirklich effektiv erledigt werden
können. Darauf hat der Bürger einen Anspruch!
Ich habe schon das Planfeststellungs-Verfahren
in Gang gesetzt und wenn es um solch eine wichtige Sache geht, ist fraglos mit
schneller Zustimmung aller beteiligten Behörden und Institutionen zu rechnen;
mit Einsprüchen der Nachbarn rechnen wir jedoch nicht. denn das umliegende
Gelände gehört zufällig auch der Handelsbank.
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